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Entweder man liebt sie oder belächelt
sie, die Motorräder aus München, auch
BMWs genannt.
Burkhard Straßmann, Autor der Wochenzeitung "Die Zeit", fährt selbst eine der bayerischen Maschinen.
Als der liebe Gott das Motorrad erschuf - es war an einem feuchtkalten,
windigen Märzmorgen -, da kamen ihm plötzlich die älteren Menschen in den
Sinn. Die sollten schließlich auch auf seiner neuen Schöpfung fahren. "Werden
sie", sorgte Er sich, "bei Sturm und Nieselregen keine kalten Füße bekommen?"
Das war der Moment, als der Boxermotor erfunden wurde. Links ein warmer
Zylinder, rechts ein warmer Zylinder, dahinter die warmen Füße. Die Menschen
aber jubelten und sprachen: "Er hat uns eine Box-Mich-Warm geschenkt!"
Und sie nannten den Boxer von da an BMW.
Der echte und klassische BMW-Fahrer hat hin und wieder
Durchblutungsstörungen. Das unterstreicht auch die Tatsache, daß kein anderes
Motorrad so oft ab Werk mit Griffheizung ausgeliefert wird.
Eine BMW ist unwiderruflich das Motorrad für die gesetzteren und etablierten
Herrschaften. Zum Leidwesen des Herstellers. Was hat BMW nicht alles
angestellt, um auch den gut durchbluteten Nachwuchs für seine Modelle zu
gewinnen. Doch es half alles nichts: Wer "BMW" sagt meint immer nur: ein
Zylinder links, einer rechts, dahinter warme Füße. Daß sich daran bis heute
nichts geändert hat, liegt natürlich nicht an zu warmen Füßen. Sondern am
eindrucksvollen Kaufpreis. Und selbst wenn man mit Hilfe von Krediten und der
Ausplünderung der gesamten Verwandtschaft die zwanzig Riesen stemmt - dann
werden einen die Inspektions- und Werkstattkosten ruinieren. Kurz: Wer
Probleme mit der Liquidität hat, für den bleibt die BMW ein schöner Traum, Die
Kehrseite der Medaille: Wer eine hat, der schleppt zeitlebens das Image eines
Erbonkels mit sich rum. Das Erbonkel-Image ist unglaublich zählebig. Beispiel:
Im Fachgeschäft für Motorradbekleidung wird man vom heimtückischen
Verkaufspersonal zu allererst nach der Motorradmarke gefragt. Wer sich
unvorsichtigerweise als BMW-Fahrer outet, für den beginnt die Jackenberatung
bei 800 Mark aufwärts. Der potentielle BMW-Fahrer sollte sich also folgende
Reihenfolge immer wieder einhämmern: zuerst Haus bauen, dann Sohn zeugen,
Der BMW Fahrer
dann Baum pflanzen - und erst danach BMW kaufen! Nun reicht es keineswegs
aus, Kohle zu haben und über 40 zu sein, um ein richtiger BMW-Fahrer zu sein.
Es existieren daneben auch erstaunlich hohe Anforderungen an Charakter und
Intellekt. Man muß sich wundern, warum es noch keinen Führerschein speziell
für BMWs gibt.
Zum Beispiel der Auftritt: Zum gelungenen Auftritt eines Motorradfahrers
gehört unbedingt eine Masse Krawall aus den Auspufftüten. Der BMW-Fahrer,
und insbesondere der Eigner des neuen Vierventil-Boxers, macht aber
ausschließlich solche Erfahrungen:
Du kannst durch die Fußgängerzone braten - kein Schwein guckt.
Ziegen, die in griechischen Bergdörfern mitten auf der Straße in der Sonne
dösen, bewegen sich keinen Millimeter, wenn eine BMW naht.
So leise ist das Motorrad! Wer es aus frühkindlichen Gründen (schwere Geburt,
Vater ein Monster etc.) nötig hat, auf dem Motorrad den röhrenden Hirschen zu
geben, der vergesse die BMW. Man könnte auch sagen, der BMW-Fahrer muß
es intellektuell verkraften, daß "BMW" verschiedene Bedeutungen hat:
Der BMW ist ein vom Image her sportlich-aggressives Fahrzeug, welches das
schwache Ich seines Fahrers beträchtlich aufwertet.
Die BMW dagegen ist ein reines Understatement-Bike. Niemals würde man hier
von "Sport" reden; als Fahrer eines BMW-Motorrades ist man automatisch
"Tourenfahrer".
Andere Motorradfahrer mögen mit ausgeräumten Auspuffrohren und
entdrosselten 130 PS durch die City toben und die Blicke der Bräute auf sich
ziehen. Der Fahrer eines BMW-Motorrades hat das nicht nötig, weil er seelisch
völlig gesund und innerlich ausbalanciert ist.
Der typische BMW-Fahrer befindet sich exakt in der Mitte seines Lebens. Ist die
Midlife-Crisis noch nicht angebrochen, dann fährt er eine klassisch-schwarze
Maschine. Steckt er mitten in der Krise, bevorzugt er Rot. Dann zwängt er
seinen inzwischen fülligen Körper auch gern in eine rote Rennkombi, was ihn
zum Gespött der Nachbarschaft macht. Doch was sein muß, muß sein. Zeit zum
Motorradfahren hat er natürlich nicht - der Job geht vor. Darum nutzt er die
Maschine hin und wieder geschäftlich. Geschäftsfreunden tritt er dann mit
öligem Schuhwerk (aus irgendeinem Grund ölt an der BMW immer eines: die
Kopf- oder die Fußdichtung) und fliegenbeklatschter Lederjacke gegenüber. In
Der BMW Fahrer
solchen Momenten fühlt er sich jung und gesund. Kluge Geschäftsfreunde
wissen: Das geht vorüber, Gemeinsamkeit unter seinesgleichen sucht der BMWFahrer
in einem BMW-Club.
Mit Fahrern anderer Marken verkehrt er ungern. Wildere Motorradtreffen meidet
der BMW-Fahrer, schon weil er unter "Burn-out" nicht abfackelnde Reifen,
sondern eine gefürchtete Managerkrankheit versteht.
Wenn er aber doch mal Lust auf ein bißchen Oben--ohne-Gucken hat, läßt er die
BMW mehrere Blocks vor dem Veranstaltungsort stehen. Das Schönste an
solchen Treffen sind die anderen Motorradfahrer, die bewundernd herumstehen.
"Boooh ey, wo hasse denn die Tüten her? Welcher TÜV hat dir denn die (Gabel
eingetragen?? Und die Kühlrippen: alle von Hand poliert???" Weil der
BMW-Fahrer keine juristisch fragwürdigen Umbauten vornimmt und sowieso
alles die Werkstatt machen läßt, stehen um seinen Bock niemals Grüppchen von
Motorradfahrern herum. Doch auch für ihn schlägt einmal die große Stunde.
Rastplatz Münsterland. Ein Reisebus aus Rotenburg an der Wümme hält an.
DRK-Seniorenfahrt ins Sauerland, Die Omas gehen pinkeln. Die Opas umringen
den BMW-Fahrer und seine Maschine. "Oooh', rufen sie. Und "ahhh". "Die neue
BMW! Vier Ventile?? G-Kat??? Wunderbar, daß es den guten alten Boxer noch
gibt. Ja, nach dem Krieg, da hab ich eine R 51 Strich 2 gefahren. Das waren
noch Zeiten! Mehr geschraubt als gefahren!" "Komm jetzt, Erwin!" Oma zieht
Erwin in den Reisebus zurück. Von ferne winkt der Erwin noch einmal- Und ruft
noch etwas, das klingt wie: "Und warme Füße hatte man! Immer!" 
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